Corona-Pandemie und kommunale Haushalte

Veröffentlicht am 11.05.2020 in Allgemein

Praktischer Leitfaden für unsere Kommunalpolitiker/-innen

 

Autor: SGK Rheinland-Pfalz e.V.
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Die Corona-Pandemie stellt die Kommunen in Rheinland-Pfalz vor besondere Herausforderungen. Die SGK Rheinland-Pfalz hatte deswegen schon Informationen den Mitgliedern zur Verfügung gestellt und Praxistipps für den Umgang mit kommunalen Entscheidungen während der Pandemie gegeben. Das Innenministerium des Landes Rheinland-Pfalz hat sich nunmehr erneut an alle Kommunen gewendet und weitere Hinweise zum Haushaltsvollzug in der Pandemiesituation gegeben. Zusätzlich zu den schon gegebenen Hinweisen gibt es nun erweiterte Handlungsoptionen für die Kommunen, insbesondere was Haushaltsfragen angeht. Mit Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 22.04.2020 wurden den Kommunen zahlreiche Handlungsoptionen aufgezeigt.

 

Umlaufbeschlüsse und Videokonferenzen in Krisensituationen

Zusätzlich haben die kommunalen Spitzenverbände - Städtetag, Landkreistag und Gemeinde- und Städtebund - Ideen an das Ministerium des Inneren gerichtet, welche Erleichterungen für die Durchführung von Ratssitzungen zum Ziel haben. So soll für besondere Situationen die Möglichkeit zur Durchführung von Ratssitzungen im Wege der Video- oder Telefonkonferenz geschaffen werden. In bestimmten Ausnahmefällen können auch Umlaufbeschlüsse gefasst werden. Diese Initiative wurde nun zeitnah aufgegriffen, als Gesetzesinitiative von den Fraktionen der SPD, CDU, Bündnis90/Die Grünen und FDP in dieser Woche in den Landtag eingebracht und ist im Mai final zu verabschieden, damit die Regelungen dann zeitnah umgesetzt werden können.

Im Folgenden sollen die Erläuterungen des Innenministeriums in den für Kommunen wesentlichen Punkten kurz wiedergegeben werden und entsprechende Praxistipps gegeben werden.

 

1.Verpflichtung zur Aufstellung von Nachtragshaushalten

Da die Auswirkungen der zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erforderlichen Maßnahmen auf die kommunalen Haushalte derzeit noch nicht hinreichend konkret bewertet werden können, wird es rechtsaufsichtlich geduldet, wenn der gesetzlichen Verpflichtung zur Aufstellung einer Nachtragshaushaltssatzung (§ 98 GemO) bei unmittelbar oder mittelbar auf der Corona-Pandemie beruhenden, absehbaren Fehlbeträgen bis auf Weiteres nicht nachgekommen wird. Eine genauere Einschätzung der finanziellen Folgen der Pandemie wird - wenn überhaupt - frühestens auf Basis der Ergebnisse der für den Mai anstehenden regionalisierten Steuerschätzung möglich sein. Insofern bleibt grundsätzlich die Verpflichtung bestehen, die finanzielle Situation permanent zu beobachten. Gleichwohl wird davon auszugehen sein, dass die rheinland- pfälzischen Kommunen überwiegend um den Erlass einer Nachtragshaushaltssatzung im Jahr 2020 nicht umhinkommen werden. (Quelle: Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 22.04.2020)

 

SGK-Praxishinweis:

Derzeit sind die dauerhaften Auswirkungen der Pandemie auf die kommunalen Haushalte nicht seriös einzuschätzen. Es ist zwar von einer erheblichen Verschlechterung der Einnahmesituation auszugehen – wie stark diese Effekte allerdings sind und wie lange sie andauern ist derzeit nicht klar bezifferbar. Es empfiehlt sich daher, die Einnahme- wie auch die Ausgabesituation genau im Blick zu behalten um ggfs. reagieren zu können. Der Sorgfalt im Haushaltsvollzug kommt gerade jetzt besondere Bedeutung zu.

 

2. Zahlungsfähigkeit/Liquiditätskredite

Durch zu erwartende Mindererträge und -einzahlungen sowie Mehraufwendungen und - auszahlungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie können Probleme bei der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit entstehen. Diese ist gemäß § 105 Abs. 1 GemO gleichwohl jederzeit zu gewährleisten. Die Erhöhung des in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrages der Kredite zur Liquiditätssicherung bedarf grundsätzlich einer Nachtragshaushaltssatzung.

Da die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie derzeit nicht konkret planbar sind, darf sich die Nachtragshaushaltssatzung ausnahmsweise auf die Erhöhung des Höchstbetrages der Liquiditätskredite beschränken. Der neu festgesetzte Höchstbetrag ist der Aufsichtsbehörde plausibel darzulegen. Bei der Prüfung durch die Aufsichtsbehörden sind in Anbetracht der besonderen Umstände großzügige Maßstäbe anzulegen.

Sofern eine Kommune, etwa infolge unerwarteter Mindererträge bei den Steuereinnahmen, ihre Zahlungsfähigkeit mit dem festgesetzten Höchstbetrag nicht sicherstellen kann und eine Erhöhung im Rahmen einer Nachtragshaushaltssatzung noch nicht in Kraft getreten ist, kann die betreffende Kommune notfalls auch sehr kurzfristig, etwa im Wege des Eilentscheidungsverfahrens, die Haushaltssatzung durch Anhebung des Höchstbetrages für die Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung anpassen. Die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde soll in diesen besonders begründeten Ausnahmefällen der Kommune unverzüglich mitteilen, dass Bedenken wegen Rechtsverletzungen infolge der gegebenen außerordentlichen Lage nicht erhoben werden (§ 97 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 Nr. 2 GemO).

Eine frühzeitige Einbindung der zuständigen Kommunalaufsicht ist dennoch anzustreben. Ist die Haushaltssatzung für 2020 noch nicht öffentlich bekanntgemacht, eröffnet § 105 Abs. 2 GemO die Möglichkeit der Aufnahme von Liquiditätskrediten bis zu dem in der Haushaltssatzung des Vorjahres festgesetzten Höchstbetrages. (Quelle: Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 22. 04.2020)

 

SGK-Praxishinweis:

Die Sicherung der Liquidität ist vorrangiges Ziel der jetzigen Maßnahmen des Innenministeriums. Mit den weitreichenden Erleichterungen sollte es möglich sein, die Liquidität auch kurzfristig sicherzustellen. Dennoch sollte von der Möglichkeit einer Erhöhung im Wege der Eilentscheidung nur Gebrauch gemacht werden, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Möglichkeit des Erlasses einer Haushaltssatzung nur zur Erhöhung der Kredite zur Liquiditätssicherung ist einfach umzusetzen und sollte in der jetzigen Situation für den Rat plausibel sein.

 

3. Pflicht zum Haushaltsausgleich

Wenn das Nichterreichen des nach § 93 Abs. 4 GemO gesetzlich gebotenen Haushaltsausgleichs maßgeblich und nachvollziehbar durch die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie beeinflusst wurde, sind die Kommunalaufsichtsbehörden zwar rechtlich verpflichtet, diesen Umstand zu beanstanden, von weitergehenden kommunalaufsichtlichen Maßnahmen sollen die Aufsichtsbehörden in diesen Fällen jedoch absehen. Da die Handlungsfähigkeit der Kommunen als wichtige Aufgabenträger im Bereich der Auftragsangelegenheiten und der Pflichtaufgaben sowie in dem Bereich derjenigen freiwilligen Aufgaben, die in der Krise als systemrelevant gelten, erhalten und gefördert werden muss, muss es in der Krise Ziel der Staatsaufsicht sein, die Kommunen als Aufgabenträger vornehmlich in den vorgenannten Bereichen zu stabilisieren, zu stärken und zu beraten.

Von Forderungen zur Verbesserung der Einnahmeseite (Erhöhung der Umlagesätze bei Gemeindeverbänden bzw. der Realsteuerhebesätze bei Gemeinden), sollen die Kommunalaufsichtsbehörden für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 infolge der gegebenen außerordentlichen Situation absehen. Auf die nach § 18 Abs. 4 GemHVO verpflichtende Darstellung der Gemeinde, durch welche Maßnahmen die haushaltswirtschaftliche Lage der Gemeinde verbessert werden kann, sofern die Summe der festgestellten oder veranschlagten Jahresergebnisse der fünf Haushaltsvorjahre und des Haushaltsjahres negativ waren, kann wegen der außerordentlichen Situation für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 verzichtet werden; von der Erhebung von Rechtsbedenken sollen die zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden in diesen Fällen Abstand nehmen. (Quelle: Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 22. 04.2020)

 

SGK-Praxishinweis:

Die Haltung des Ministeriums bezüglich der Realsteuerhebesätze (Grund- und Gewerbesteuer) ist ausdrücklich zu begrüßen. Das Ministerium erkennt an, dass diese Maßnahmen in den Kommunen kaum vermittelbar wären und zu erheblichen Diskussionen in den Räten und in der Bevölkerung führen dürften. Dennoch hat der Rechnungshof Rheinland-Pfalz genau dies bereits kritisiert und die Auffassung vertreten, dass die Haushalte weiterhin rechtswidrig seien, auch wenn sie nicht beanstandet würden.

 

4. Kommunaler Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RLP)

Das Innenministerium geht davon aus, dass die meisten Konsolidierungsmaßnahmen auch während der Pandemie ihre Wirksamkeit behalten. Sollten in Einzelfällen vertragliche Anpassungen unumgänglich erscheinen, wird eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit der zuständigen Aufsichtsbehörde empfohlen.

 

SGK-Praxishinweis:

Es empfiehlt sich, die entsprechenden Verträge bereits jetzt genau zu überprüfen und bei sich abzeichnenden Problemen direkt Kontakt mit der zuständigen Kommunalaufsicht aufzunehmen.

 

5. Freiwillige Leistungen

Durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird es zu Einnahmeverlusten bei den Kommunen selbst bzw. bei den kommunalen Betrieben im Kulturbereich (Theater, Museen), Sportanlagen (Schwimmbäder etc.), im ÖPNV, im Tourismusbereich und bei der Vermietung von Veranstaltungshallen kommen. Gleichzeitig werden aber auch Ausgaben z.B. für Veranstaltungen, die nicht mehr stattfinden, entfallen, so dass die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen noch nicht bezifferbar sein können.

Generell kann aber festgehalten werden, dass in den Jahren 2020 und 2021 eine Anhebung der Deckelung der Ausgaben im freiwilligen Leistungsbereich dann in Betracht kommt, wenn die Kommune nachvollziehbar darlegt, dass die Überzeichnung des freiwilligen Ausgabenbereichs krisenbedingt erfolgt ist, wobei die zusätzlichen Mittel, die die Landeregierung den Kommunen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie zur Verfügung gestellt hat, dann in die Betrachtung miteinzubeziehen sind, wenn die Kommunen diese Mittel nicht nur zur direkten Bekämpfung der Pandemie einsetzen werden, sondern auch zu dem Zweck, (finanzielle) Folgen im freiwilligen Leistungsbereich abzumildern. (Quelle: Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 22. 04.2020)

 

SGK-Praxishinweis:

Es handelt sich hier gerade nicht um einen „Freibrief“ zur Erhöhung von Ausgaben im freiwilligen Bereich. Auch in der Pandemiesituation muss sehr genau darauf geachtet werden, dass die Ausgaben gerade zur Abfederung der Folgen der Pandemie erfolgen.

 

Mit den vorstehenden Regelungen ist es aus Sicht der SGK gelungen, auf viele drängende Fragen der Kommunen kurzfristige Antworten zu geben, die zumindest die Handlungsfähigkeit der Kommunen sicherstellen. Zusammen mit der Gesetzesinitiative zur Erleichterung von kommunalen Entscheidungen sind zumindest für den Moment gute Lösungen gefunden worden. Dennoch muss klar sein, dass die Pandemie gerade die Kommunen vor große Herausforderungen stellt, die auch noch die kommenden Jahre bestimmen werden.

 

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